Persönliche Resilienz: Rettung aus eigener Kraft

27.10.24

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Die Deutschen melden sich immer häufiger krank. Langwierige psychische Erkrankungen wie Depressionen haben stark zugenommen. Nach Auswertungen der Techniker Krankenkasse (TK) stehen psychische Diagnosen bei der Zahl der krankheitsbedingten Fehltage mit Abstand an der Spitze. Und nach Angaben der AOK ist die Zahl der dadurch verursachten Fehltage von Arbeitnehmern seit 2014 um fast 47 Prozent gestiegen. Wie Resilienz dem vorbeugen kann, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Einleitung

Jeder Mensch erlebt im Laufe seines Lebens Rückschläge. Die Bandbreite dessen, was wir erleben und bewältigen müssen, reicht von alltäglichen Problemen bis hin zu existenziellen Herausforderungen, wie sie Viktor Frankl beschreibt, der lange Zeit nicht daran glaubte, überhaupt zu überleben. Es ist faszinierend zu erleben, wie Menschen nach schweren Schicksalsschlägen wieder aufstehen, sich den sprichwörtlichen Staub abklopfen, weitermachen und am Ende gestärkt daraus hervorgehen. Warum schaffen es die einen und scheitern die anderen? Resilienz ist ein entscheidender Faktor, ein Begriff, der seit Jahren immer häufiger verwendet wird, wenn es um wünschenswerte Eigenschaften geht. Gleichzeitig nimmt die Zahl der psychischen Erkrankungen, darunter auch Burn-out, stetig zu. Da stellt sich für viele schon die Frage: Was ist noch normal und wo ist die Grenze? In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der Begriff die Fähigkeit eines Stoffes, nach einer Verformung durch äußere Einflüsse wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Im heutigen Sprachgebrauch ist mit Resilienz meist die psychische Widerstandsfähigkeit gemeint, also die Fähigkeit, sich nach einer Krise oder Veränderung wieder zu erholen und zum psychischen „Normalzustand“ zurückzukehren.

Das Konzept der Resilienz

Das Konzept der Resilienz tauchte erstmals in den 1950er Jahren in der Psychologie auf, mit Beiträgen aus verschiedenen wissenschaftlichen Richtungen, insbesondere der Positiven Psychologie, die sich auf die Stärkung menschlicher Ressourcen konzentriert. Resilienz umfasst eine Reihe von Fähigkeiten wie Selbstwirksamkeit, Selbstregulation, Beziehungen, Akzeptanz, Sinnfindung sowie Zukunfts- und Lösungsorientierung. Der Grundstein dafür wird bereits in der Kindheit gelegt: Emmy Werner, eine Pionierin auf diesem Gebiet, fand heraus, dass Schutzfaktoren wie eine stabile Bezugsperson und unterstützende Beziehungen Resilienz fördern. Kinder, die Erwachsene durch offene und positive Interaktionen ansprechen, entwickeln in der Regel eine höhere psychische Widerstandskraft.

Die Bedeutung von Resilienzfaktoren

Für mich, der ich als Erziehungswissenschaftler zu diesem Thema geforscht habe, ist die Stärkung der persönlichen Resilienz ein wichtiger Faktor zur Erhaltung der psychischen Gesundheit. Resilienzfaktoren sind bestimmte Eigenschaften, Ressourcen und Bedingungen, die es Menschen ermöglichen, mit Herausforderungen, Veränderungen oder Krisen umzugehen und gestärkt daraus hervorzugehen. Die wichtigsten Resilienzfaktoren sind:

Selbstwirksamkeit

Selbstwirksamkeit ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit glauben, schwierige Situationen aktiv beeinflussen zu können, was sie motiviert, Probleme anzugehen und Hindernisse als Chancen zu sehen. Diese Überzeugung entwickelt sich durch selbstwirksames Handeln und positive Erfahrungen, die durch Feedback und Selbstreflexion gestärkt werden. Gerade in belastenden Phasen hilft eine starke Selbstwirksamkeit, handlungsfähig und optimistisch zu bleiben. Sie ist zentral für Resilienz, denn sie stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Krisen selbstbewusst zu meistern.

Optimismus

Optimismus ist die Erwartung, dass sich Herausforderungen zum Besseren wenden. Optimistische Menschen sehen Probleme als vorübergehende Hindernisse und gehen konstruktiv mit ihnen um. Diese positive Sichtweise fördert die Bereitschaft, aktiv nach Lösungen zu suchen und neue Wege auszuprobieren. In Krisen hilft Optimismus, Stress abzubauen und Belastungen besser zu bewältigen. Er ist ein starker Resilienzfaktor, der durch die Konzentration auf das Positive und das Feiern kleiner Erfolge gestärkt werden kann und hilft, auch in schwierigen Phasen Zuversicht zu bewahren.

Flexibilität und Adaptivität

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit bedeuten, schnell auf unerwartete Situationen reagieren und sich an neue Umstände anpassen zu können. Menschen mit hoher Anpassungsfähigkeit sehen Veränderungen als Chance und passen ihre Pläne bei Bedarf an. Diese Fähigkeit wird gestärkt, indem man offen für neue Erfahrungen bleibt und Herausforderungen als Teil des Lebens akzeptiert. Anpassungsfähige Menschen halten weniger an alten Gewohnheiten fest, was ihnen hilft, in Krisen handlungsfähig zu bleiben. Anpassungsfähigkeit ist ein wichtiger Resilienzfaktor, da sie eine effektive Reaktion auf neue Herausforderungen ermöglicht und Stabilität schafft.

Soziale Unterstützung

Soziale Unterstützung umfasst das Netzwerk von Familie, Freunden und Kollegen, das in schwierigen Zeiten Unterstützung und Trost bietet. Menschen mit einem hohen Maß an sozialer Unterstützung können sich in Krisenzeiten auf die Hilfe und das Verständnis anderer verlassen. Dieses Netzwerk bietet emotionale Nähe, praktische Unterstützung und ein Zugehörigkeitsgefühl, das hilft, Belastungen besser zu bewältigen. Die Fähigkeit, Hilfe anzunehmen und anderen zu vertrauen, ist dabei wichtig. Menschen mit sozialen Ressourcen können Probleme besser bewältigen, weil sie wissen, dass sie nicht allein sind. Soziale Unterstützung ist wesentlich für Resilienz, da sie die psychische Belastung reduziert und die Zuversicht stärkt, auch in schwierigen Situationen nicht allein zu sein.

Selbstreflexion und Achtsamkeit

Selbstreflexion und Achtsamkeit ermöglichen, eigene Gefühle und Reaktionen bewusst wahrzunehmen und besser zu verstehen. Achtsamkeit bedeutet, im Moment zu leben und ohne Bewertung zu fühlen, was innere Stabilität und Stressresistenz fördert. Selbstreflexion hilft, aus Erfahrungen zu lernen und resilienter zu werden. Achtsamkeitstechniken wie Meditation unterstützen, in schwierigen Situationen ruhig und konstruktiv zu bleiben. Diese Fähigkeiten sind zentrale Resilienzfaktoren, die gesunde Selbstwahrnehmung und emotionale Regulation stärken.

Problemlösefähigkeiten

Problemlösefähigkeiten sind Strategien, um Herausforderungen strukturiert zu analysieren und effektiv zu lösen. Menschen mit ausgeprägten Problemlösefähigkeiten haben gelernt, schwierige Situationen in kleine, überschaubare Teile zu zerlegen und arbeiten zielorientiert auf eine Lösung hin. Sie gehen strukturiert vor, um Optionen abzuwägen und die beste Lösung zu finden. Diese Fähigkeit setzt analytisches Denken und Entscheidungsfreude voraus. Sie erfordert auch die Bereitschaft, Risiken einzugehen und Unsicherheiten zu akzeptieren. Problemlösekompetenz stärkt die Resilienz, indem sie das Vertrauen in die eigene Fähigkeit zur Bewältigung schwieriger Situationen fördert. Wer über gute Problemlösestrategien verfügt, bleibt auch in Krisen handlungsfähig und entwickelt aus Herausforderungen neue Perspektiven und Handlungsoptionen.

Zukunftsorientierung und Zielorientierung

Zukunftsorientierung und Zielstrebigkeit beschreiben die Fähigkeit, sich klare und realistische Ziele zu setzen und konsequent auf deren Erreichung hinzuarbeiten. Menschen, die sich auf langfristige Ziele konzentrieren können, haben eine Orientierung, die ihnen auch in schwierigen Phasen Halt gibt. Das Setzen von Zielen hilft, sich nicht in der momentanen Belastung zu verlieren, sondern eine Perspektive zu bewahren. Der Blick in die Zukunft gibt Struktur und Motivation, auch in herausfordernden Zeiten am Ball zu bleiben. Diese Fähigkeiten stärken die Resilienz, weil sie Sinn und Orientierung geben und die Konzentration auf das Wesentliche ermöglichen. Eine gute Zielsetzung fördert die psychische Widerstandskraft, indem sie Klarheit und Motivation schafft.

Stressbewältigung und Gefühlsregulation

Stressbewältigung und Emotionsregulation sind Fähigkeiten, mit Stress umzugehen und negative Emotionen gezielt zu steuern. Menschen mit ausgeprägten Fähigkeiten zur Emotionsregulation haben Methoden entwickelt, um in belastenden Situationen ruhig zu bleiben und sich nicht von negativen Gefühlen überwältigen zu lassen. Sie nutzen Techniken wie Atemübungen, Sport oder kreative Tätigkeiten, um Stress abzubauen und wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Die Fähigkeit, Gefühle bewusst wahrzunehmen und zu steuern, trägt wesentlich zur Resilienz bei, da sie hilft, auch in schwierigen Momenten konzentriert zu bleiben. Eine effektive Emotionsregulation ermöglicht es, sich nicht von Angst oder Wut leiten zu lassen und konstruktiv auf Herausforderungen zu reagieren.

Kohärenzgefühl

Das Kohärenzgefühl umfasst das Empfinden von Sinnhaftigkeit, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit im Leben. Menschen mit starkem Kohärenzgefühl sehen selbst schwierige Situationen als überschaubar, was ihnen hilft, in Krisen ruhig zu bleiben. Diese Überzeugung, dass das Leben grundsätzlich sinnvoll ist, unterstützt die Resilienz, da sie einen inneren roten Faden bietet. Kohärenz stärkt das Vertrauen, auch komplexe Probleme bewältigen zu können und Stabilität zu finden, und bildet eine solide Basis, um in unsicheren Zeiten die Hoffnung zu bewahren.

Resilienz ist erlernbar

Resilienz ist erlernbar und kann durch gezielte Übungen, Strategien und Gewohnheiten gestärkt werden. Im Folgenden stelle ich einige Ansätze zur Entwicklung von Resilienz vor:

Selbstreflexion und Achtsamkeit

Regelmäßige Selbstreflexion und Achtsamkeitsübungen wie Meditation helfen, die eigenen Emotionen und Reaktionen bewusst wahrzunehmen. Dies fördert ein besseres Verständnis der persönlichen Stressoren und stärkt die emotionale Selbstregulation.

Positive Selbstgespräche

Negative Gedanken bewusst zu erkennen und in positive Selbstgespräche umzuwandeln, steigert die Selbstwirksamkeit und fördert den Optimismus. Durch diesen Perspektivwechsel werden Krisen als Herausforderung und nicht als Bedrohung gesehen.

Aufbau sozialer Netzwerke

Soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Kollegen bietet Rückhalt und emotionale Stabilität. Ein tragfähiges soziales Netzwerk zu pflegen und auf Unterstützung zu bauen, erhöht die Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten.

Zielorientierung und Zukunftsdenken

Klare, realistische Ziele zu setzen und kontinuierlich daran zu arbeiten, stärkt das Kohärenzgefühl und gibt Orientierung im Leben. Zukunftsorientierung schafft Motivation und hält den Fokus auf positive Ergebnisse.

Flexibilität üben

Anpassungsfähigkeit kann trainiert werden, indem man bewusst neue Erfahrungen macht, sich neuen Herausforderungen stellt und alte Denkmuster in Frage stellt. Dies fördert Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

Problemlösungsfähigkeiten entwickeln

Strukturiertes Denken und Problemlösungsstrategien helfen bei der Analyse und Bewältigung komplexer Probleme. Diese Fähigkeiten können durch Vorlesungen, Übungen oder die Arbeit an realen Herausforderungen gefördert werden.

Stressmanagement-Techniken anwenden

Techniken wie Atemübungen, Sport, Yoga oder kreative Hobbys bauen Stress ab und fördern die Resilienz. Sie helfen, in Krisen gelassen zu bleiben und Emotionen zu regulieren.

Optimismus kultivieren

Eine optimistische Grundhaltung kann trainiert werden, indem man sich regelmäßig auf positive Erlebnisse und Erfolge konzentriert. Dankbarkeitsübungen und ein positiver Fokus helfen, auch in schwierigen Zeiten Chancen wahrzunehmen.

Kohärenzgefühl stärken

Das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, das Leben sinnvoll zu gestalten, kann durch die Entwicklung einer klaren Wertorientierung und durch Sinnhaftigkeit im Alltag gefördert werden. Als sinnvoll erlebte Tätigkeiten fördern diese Überzeugung.

Der Aufbau von Resilienz ist ein kontinuierlicher Prozess, der bewusste Arbeit und Engagement erfordert. Durch die regelmäßige Anwendung dieser Strategien kann die Fähigkeit verbessert werden, Herausforderungen widerstandsfähiger und mit einer positiven Einstellung zu begegnen.

Schlussfolgerung

Der Aufbau von Resilienz ist entscheidend, um den Herausforderungen des Lebens gestärkt zu begegnen. In einer Welt voller Veränderungen und Unsicherheiten hilft uns Resilienz, mit belastenden Situationen umzugehen, Rückschläge als Chancen zu sehen und Krisen mit innerer Stärke zu meistern. Resiliente Menschen bleiben handlungsfähig, fokussiert und lassen sich von Schwierigkeiten nicht entmutigen. Resilienz gibt uns die Kraft, an jedem Hindernis zu wachsen und optimistisch in die Zukunft zu blicken. Entwickeln wir die Fähigkeiten, die uns stark und flexibel machen - für ein erfülltes, resilientes Leben voller Möglichkeiten! Wir unterstützen Sie gerne dabei.

Über den Autor

Dr. Stefan Bleses

Ich habe in Erziehungswissenschaften promoviert. Als Systemanalytiker und Transformationsdesigner arbeite ich leidenschaftlich daran, Organisationen und Menschen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln.

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