Nachhaltigkeit neu gedacht – Einführung in die Donut-Ökonomie

23.02.25

Kate Raworth, Wirtschaftswissenschaftlerin aus Oxford und Visionärin, wurde mit dem renommierten German Design Award 2025 als „Personality of the Year“ ausgezeichnet. Diese Auszeichnung unterstreicht die transformative Kraft ihres Konzepts der Donut-Ökonomie. Mit dem Doughnut Economics Action Lab (DEAL) beweist sie, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht an endloses Wachstum gekoppelt sein muss, sondern auf einem ausgewogenen Zusammenspiel von sozialer Gerechtigkeit und ökologischen Grenzen basieren kann. In diesem Artikel möchte ich gemeinsam mit Ihnen erkunden, wie dieses zukunftsweisende Modell funktioniert und welche konkreten Möglichkeiten es für eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft eröffnet. Lassen Sie uns gemeinsam entdecken, wie dieses Modell nicht nur theoretisch überzeugend, sondern auch praktisch umsetzbar ist - für Unternehmen, Städte und ganze Volkswirtschaften.

Einleitung

In einer Welt, die zunehmend mit sozialen Ungleichheiten und ökologischen Krisen konfrontiert ist, wird die Suche nach nachhaltigen Wirtschaftsmodellen immer dringlicher. Traditionelle Wirtschaftsansätze, die auf unbegrenztes Wachstum setzen, stoßen an ihre Grenzen und gefährden die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen. Ein innovatives Konzept, das sich diesen Herausforderungen stellt, ist die Donut-Ökonomie. Entwickelt von der britischen Ökonomin Kate Raworth, bietet dieses Modell einen neuen Rahmen für wirtschaftliches Handeln, der sowohl soziale Gerechtigkeit als auch ökologische Stabilität in den Mittelpunkt stellt. In diesem Artikel werde ich die Grundlagen der Donut-Ökonomie erläutern, ihre zentralen Ideen vorstellen und untersuchen, wie sie in die Praxis umgesetzt werden kann.

Was ist die Donut-Ökonomie?

Die Donut-Ökonomie ist ein visuelles Modell, das die wirtschaftlichen Ziele der Menschheit in zwei konzentrischen Ringen darstellt. Der innere Ring stellt das soziale Fundament dar, das die Grundbedürfnisse und Rechte jedes Menschen abdeckt. Der äußere Ring stellt die ökologische Decke dar, die die planetarischen Grenzen definiert, die nicht überschritten werden dürfen, um das Ökosystem zu schützen. Zwischen diesen beiden Ringen liegt der sichere und gerechte Raum für die Menschheit, in dem eine nachhaltige Entwicklung möglich ist.

Kate Raworth hat dieses Modell entwickelt, um die Komplexität globaler Herausforderungen verständlich zu machen. Traditionelle Wirtschaftsmodelle konzentrieren sich oft auf Wachstum um jeden Preis, ohne die sozialen und ökologischen Kosten zu berücksichtigen. Die Donut-Ökonomie fordert dagegen ein Umdenken: Wirtschaftliches Handeln soll darauf abzielen, die Lebensqualität aller Menschen zu verbessern, ohne die natürlichen Ressourcen zu übernutzen.

Das Donut-Modell basiert auf der Erkenntnis, dass Wirtschaftswachstum nicht gleichbedeutend mit Wohlstand ist. Vielmehr geht es darum, ein Gleichgewicht zu finden, in dem die Bedürfnisse aller Menschen befriedigt werden, ohne die ökologischen Grenzen zu überschreiten. Dies erfordert eine Abkehr von linearen Wachstumsmodellen hin zu zirkulären und regenerativen Ansätzen, die Ressourcen schonen und Abfälle minimieren.

Die Donut-Ökonomie ist mehr als ein theoretisches Konzept, sie bietet konkrete Ansatzpunkte für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Durch die Integration sozialer und ökologischer Ziele in wirtschaftliche Entscheidungen kann ein ganzheitlicher Ansatz entstehen, der langfristige Nachhaltigkeit fördert. Dies erfordert jedoch eine enge Zusammenarbeit verschiedener Akteure und die Bereitschaft, bestehende Strukturen zu hinterfragen und neu zu gestalten.

Donut-Diagram | © Donut Economics Action Lab

Das gesellschaftliche Fundament

Das gesellschaftliche Fundament der Donut-Ökonomie umfasst die Grundbedürfnisse und Rechte, die für ein menschenwürdiges Leben notwendig sind. Dazu gehören unter anderem der Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser, Gesundheitsversorgung, Bildung, Wohnraum und politischer Partizipation. Diese Grundbedürfnisse sind universell und gelten für alle Menschen, unabhängig von ihrem geografischen oder sozialen Kontext.

Ein zentrales Ziel der Donut-Ökonomie ist es, sicherzustellen, dass niemand unterhalb dieser sozialen Grundlagen lebt. Das bedeutet, dass wirtschaftliches und politisches Handeln darauf ausgerichtet sein muss, Armut und soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Dabei geht es nicht nur um die Verteilung materieller Güter, sondern auch um die Schaffung von Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit.

Ein Beispiel für einen Indikator der sozialen Basis ist der Zugang zur Gesundheitsversorgung. In vielen Ländern mangelt es an einer ausreichenden medizinischen Infrastruktur, was zu vermeidbaren Krankheiten und Todesfällen führt. Die Donut-Ökonomie fordert Investitionen in das Gesundheitssystem, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten. Dies kann durch staatliche Programme, aber auch durch innovative Geschäftsmodelle im Gesundheitssektor erreicht werden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zugang zu Bildung. Bildung ist ein Schlüssel für soziale Mobilität und ermöglicht es den Menschen, ihre Potenziale zu entfalten und aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Donut-Ökomomie betont die Bedeutung von Investitionen in Bildungssysteme, die allen Menschen offen stehen und Chancengleichheit fördern. Dies umfasst sowohl die formale Bildung in Schulen und Universitäten als auch das lebenslange Lernen und die berufliche Weiterbildung.

Die sozialen Grundlagen der Donut-Ökonomie sind eng mit den Menschenrechten verbunden. Sie verlangen, dass wirtschaftliches Handeln stets die Würde und die Rechte des Einzelnen respektiert. Das bedeutet, dass Unternehmen und Regierungen Verantwortung für ihre sozialen Auswirkungen übernehmen müssen. Fairer Handel, gerechte Arbeitsbedingungen und Antidiskriminierung sind zentrale Anliegen, die in der Donut-Ökonomie eine wichtige Rolle spielen.

Die ökologische Decke

Der ökologische Plafond der Donut-Ökonomie definiert die planetaren Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, um das Ökosystem der Erde zu schützen. Diese Grenzen umfassen verschiedene ökologische Prozesse, die für das Leben auf der Erde unerlässlich sind, wie z.B. den Klimawandel, den Verlust der biologischen Vielfalt, die Versauerung der Ozeane und die Zerstörung der Ozonschicht.

Ein zentrales Anliegen der Donut-Ökonomie ist die Bekämpfung des Klimawandels. Die Wissenschaft ist sich einig, dass die globale Erwärmung eine der größten Bedrohungen für die Menschheit darstellt. Die Donut-Ökonomie fordert daher ehrgeizige Maßnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Förderung erneuerbarer Energien. Dies erfordert einen umfassenden Umbau der Energiesysteme weg von fossilen Brennstoffen hin zu nachhaltigen Energiequellen wie Solar- und Windenergie.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des ökologischen Deckels ist der Schutz der biologischen Vielfalt. Die Zerstörung von Lebensräumen, die Übernutzung natürlicher Ressourcen und die Umweltverschmutzung führen zu einem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt. Die Donut-Ökonomie betont die Bedeutung von Naturschutzmaßnahmen und nachhaltiger Landwirtschaft, um die ökologische Vielfalt zu erhalten. Dazu gehören der Schutz von Wäldern, die Wiederherstellung von Feuchtgebieten und die Förderung nachhaltiger Fischerei.

Die Versauerung der Ozeane ist ein weiteres Beispiel für eine ökologische Grenze, die in der Donut-Ökonomie berücksichtigt wird. Die Aufnahme von Kohlendioxid durch die Ozeane führt zur Versauerung des Meerwassers, was sich negativ auf die marinen Ökosysteme auswirkt. Die Donut-Ökonomie fordert Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen und die Einrichtung von Meeresschutzgebieten, um die Meere zu schützen.

Die ökologische Obergrenze der Donut-Ökonomie ist eng mit dem Konzept der planetaren Grenzen verbunden, das von einer Gruppe internationaler Wissenschaftler entwickelt wurde. Diese Grenzen definieren die sicheren Betriebsgrenzen für die Menschheit und sollen sicherstellen, dass die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen erhalten bleiben. Die Donut-Ökonomie integriert diese Grenzen in ihr Modell und fordert, dass wirtschaftliches Handeln immer innerhalb dieser Grenzen stattfindet.

Die Donut-Ökonomie in der Praxis

Die Umsetzung der Donut-Ökonomie in die Praxis erfordert innovative Ansätze und die Bereitschaft, bestehende Strukturen in Frage zu stellen. Ein vielversprechendes Beispiel ist die Stadt Amsterdam, die das Donut-Modell als Leitbild für ihre Stadtentwicklung übernommen hat. Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 innerhalb der planetarischen Grenzen zu leben und gleichzeitig die sozialen Grundlagen für alle Einwohner zu sichern.

Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Kreislaufwirtschaft, die darauf abzielt, Abfall zu minimieren und Ressourcen effizient zu nutzen. Amsterdam fördert Initiativen zur Wiederverwendung und zum Recycling von Materialien und setzt auf nachhaltiges Bauen. Ein Beispiel ist das Projekt „De Ceuvel“, ein ehemaliges Industriegebiet, das in ein nachhaltiges Stadtviertel umgewandelt wurde. Hier werden innovative Technologien zur Abwasserbehandlung und Energieerzeugung eingesetzt, um den ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Ein weiteres Beispiel für die praktische Umsetzung der Donut-Ökonomie ist das Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie, das weltweit von Unternehmen und Kommunen angewandt wird. Diese Unternehmen verpflichten sich, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten am Gemeinwohl auszurichten und soziale und ökologische Ziele in ihre Geschäftsstrategie zu integrieren. Dazu gehören faire Arbeitsbedingungen, nachhaltige Lieferketten und die Nutzung erneuerbarer Energien.

Die Donut-Ökonomie bietet auch Ansatzpunkte für die Landwirtschaft. Nachhaltige Landwirtschaftsmodelle wie der agrarökologische Landbau setzen auf den Schutz der Böden, den Erhalt der Biodiversität und die Reduzierung von Kunstdünger. Ein Beispiel ist das Projekt „La Via Campesina“, ein weltweites Netzwerk von Kleinbauern, das sich für eine nachhaltige und gerechte Landwirtschaft einsetzt.

Um die Donut-Ökonomie in die Praxis umzusetzen, müssen jedoch auch Herausforderungen überwunden werden. Dazu gehören politische Widerstände, wirtschaftliche Interessen und die Notwendigkeit, bestehende Infrastrukturen und Prozesse zu verändern. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ist notwendig, um innovative Lösungen zu entwickeln und umzusetzen. Bildung und Bewusstseinsbildung spielen dabei eine zentrale Rolle, um die Akzeptanz und Unterstützung des Donut-Modells in der Bevölkerung zu erhöhen.

Kritik und Diskussion

Trotz ihrer innovativen Ansätze und vielversprechenden Beispiele ist die Donut-Ökonomie nicht frei von Kritik. Ein häufig geäußerter Kritikpunkt ist, dass das Modell zu idealistisch sei und die Komplexität globaler wirtschaftlicher und politischer Systeme unterschätze. Kritiker argumentieren, dass die Umsetzung der Donut-Ökonomie in der Praxis auf erhebliche Widerstände stoßen könnte und es schwierig sei, die notwendigen Veränderungen in kurzer Zeit umzusetzen.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Messbarkeit und Überprüfbarkeit der Ziele der Donut-Ökonomie. Während das Modell klare soziale und ökologische Ziele formuliert, ist es oft schwierig, den Fortschritt bei der Erreichung dieser Ziele zu messen. Verlässliche Indikatoren und Daten sind daher notwendig, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Befürworter der Donut-Ökonomie argumentieren, dass das Modell nicht als starre Blaupause verstanden werden sollte, sondern als flexibler Rahmen, der an unterschiedliche Kontexte angepasst werden kann. Sie betonen, dass die Donut-Ökonomie einen langfristigen Wandel anstrebt und dass erste Schritte in die richtige Richtung bereits wichtige Fortschritte darstellen. Außerdem wird betont, dass das Modell auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Ein zentraler Diskussionspunkt ist die Rolle des Staates in der Donut-Ökonomie. Während einige argumentieren, dass starke staatliche Eingriffe notwendig sind, um soziale und ökologische Ziele zu erreichen, plädieren andere für marktwirtschaftliche Lösungen und die Förderung von Innovationen. Die Donut-Ökonomie bietet Raum für beide Ansätze und betont die Bedeutung einer ausgewogenen Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Akteuren.

Schlussfolgerung

Die Donut-Ökonomie bietet einen innovativen und ganzheitlichen Ansatz zur Bewältigung der drängenden sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit. Durch die Integration sozialer Grundlagen und ökologischer Grenzen in wirtschaftliche Entscheidungen kann ein nachhaltiger und gerechter Raum für die Menschheit geschaffen werden. Die Praxisbeispiele aus Amsterdam und anderen Initiativen zeigen, dass die Umsetzung der Donut-Ökonomie möglich ist und bereits erste Erfolge zeigt.

Trotz der Kritik und der Herausforderungen, die mit der Umsetzung verbunden sind, leistet die Donut-Ökonomie einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um eine nachhaltige Zukunft. Sie fordert uns auf, bestehende Strukturen zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Jeder Einzelne kann durch bewusste Entscheidungen und aktives Engagement dazu beitragen, die Ziele der Donut-Ökonomie zu verwirklichen. Es liegt an uns, die Vision eines gerechten und nachhaltigen Wirtschaftssystems in die Tat umzusetzen und eine lebenswerte Zukunft für kommende Generationen zu schaffen. Lass uns gemeinsam den Wandel gestalten - für eine Wirtschaft, die sowohl den Menschen als auch dem Planeten dient.

Über den Autor

Dr. Stefan Bleses

Als Systemanalytiker, Betriebspädagoge und Transformationsdesigner arbeite ich mit meinem Team leidenschaftlich daran, Organisationen und Menschen für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln. Schreibt die Welt nicht ab! Schreibt sie neu.

>